Energie & Klimawandel

Beitrag: Fehmarns Windkraft-Puzzle: Öffentliche Meinung, lokale Motivation und der Weg zur Energieunabhängigkeit

Eine Windinsel

Fehmarn produziert bereits weit mehr Strom, als auf der Insel verbraucht wird – mehr als 800 % des jährlichen Strombedarfs, größtenteils durch Windkraftanlagen. Damit ist Fehmarn ein seltener Fall einer Region, die sich theoretisch mehrfach selbst mit erneuerbaren Energien versorgen könnte.

In der Praxis kann Fehmarn diese Energie jedoch nicht direkt nutzen. Aufgrund rechtlicher und infrastruktureller Hürden wird der auf der Insel erzeugte Strom in das nationale Stromnetz eingespeist und – wie in vielen anderen Regionen – zum Verbrauch zurückgekauft. Diese Diskrepanz ist nicht nur ein technisches Problem, sondern hat auch politische und rechtliche Ursachen.

Um zu untersuchen, ob und wie sich dieser Status quo verändern ließe, haben wir im Rahmen unseres Baltic Sea2Land-Projekts von Ende 2024 bis Anfang 2025 eine öffentliche Umfrage durchgeführt. Konkret wollten wir wissen:

  • Wie die Menschen auf Fehmarn zu Windkraftanlagen stehen,
  • welche Gründe sie dazu bewegen, zu Ökostromanbietern zu wechseln – oder den Wechsel abzulehnen,
  • und ob es öffentliche Unterstützung dafür gibt, Fehmarn energieautark zu machen – sowie unter welchen Voraussetzungen diese Unterstützung besteht.

Die Ergebnisse zeichnen ein komplexes, aber ermutigendes Bild: Es besteht breite Unterstützung für die Nutzung lokaler Energiequellen und den Ausbau grüner Infrastruktur. Gleichzeitig gibt es jedoch spezifische Bedenken, mit denen sich Planer und politische Entscheidungsträger auseinandersetzen müssen.

Wahrnehmung der Windenergie: Starke Unterstützung, aber nicht ohne Bedenken

Insgesamt stehen die meisten Einwohner*innen und Besucher*innen Fehmarns den Windkraftanlagen auf der Insel positiv gegenüber. Auf einer Skala von 0 bis 10 lag die durchschnittliche Zustimmung bei etwa 7,5, wobei insbesondere junge Menschen und Frauen eine deutlich positivere Einstellung zeigten.

Interessanterweise war die skeptischste Gruppe die jüngste Alterskohorte (18–29 Jahre) – nicht etwa, weil sie die Klimaziele ablehnten, sondern weil sie eher negative Auswirkungen auf den Tourismus befürchteten. Die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen zeigte hingegen die geringste Besorgnis, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass sie entweder klimabewusster oder weniger stark an die Tourismuswirtschaft gebunden sind.

Die Unterstützung variierte regional: Lemkenhafen und Petersdorf zeigten eine stärkere Besorgnis, vermutlich bedingt durch ihre Nähe zu den Windkraftanlagen, während Burg, das bevölkerungsreichste Gebiet der Insel, eher unterstützend eingestellt war.

Die wichtigsten Bedenken waren:

  • Lärm und Schattenwurf,
  • Gefahr für Vögel und Fledermäuse,
  • Windräder werden von Tourist*innen als unattraktiv oder „zu zahlreich“ empfunden

Gleichzeitig betrachteten viele Befragte – sowohl Einheimische als auch Tourist*innen – die Windkraftanlagen als Symbole des Fortschritts. Im Folgenden einige ausgewählte Zitate von Teilnehmer*innen:

„Ich bin für Windkraft, weil sie modern und innovativ ist.“

„Die Energiewende muss voranschreiten, damit unsere Kinder eine lebenswerte Zukunft haben.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unterstützung zwar groß ist, diese jedoch an eine wichtige Bedingung geknüpft ist: Die Integration muss sorgfältig erfolgen und dabei die Natur, die lokale Bevölkerung sowie den Tourismus berücksichtigen.

Umstellung auf lokalen Ökostrom

Könnten die Einwohner*innen Fehmarns sich dafür entscheiden, ausschließlich Strom aus ihren eigenen Windkraftanlagen zu nutzen? Rechtlich ist das derzeit noch nicht möglich, aber daran wird gearbeitet. Die Umfrage stellte die Frage: Wenn lokaler Ökostrom verfügbar wäre, was würde die Menschen davon überzeugen, umzusteigen?

Die Antwort lautet: Der Preis.

  • Etwa 58% nannten einen niedrigeren Preis als Hauptgrund für die Wahl oder den Wechsel des Anbieters.
  • Umweltaspekte und regionale Beschaffung standen in der Umfrage an zweiter Stelle.
  • Service, Vertrauen und Transparenz waren ebenfalls wichtig, rangierten jedoch hinter den ersten beiden Gründen.

Gleichzeitig äußerten die Bürger*innen, dass sie eine Transformation eher befürworten, wenn diese der lokalen Wirtschaft zugutekommt:

“Es wäre ideal, wenn Sie regionale Wertschöpfung schaffen könnten…“

“Wenn es lokal produziert wird, sollten auch die Stadt oder die Bürger lokal davon profitieren und möglichst wenig dafür bezahlen.“

Die Lehre daraus: Eine lokale Stromversorgung muss wettbewerbsfähig sein und transparent kommuniziert werden. Ohne Erschwinglichkeit und einen klar erkennbaren lokalen Nutzen wird die Akzeptanz – selbst in einer klimabewussten Gemeinde – begrenzt bleiben.

Energieautonomie: Die Realität

Fehmarn verfügt über alle Voraussetzungen, um energieautark zu werden: Ressourcen, Infrastruktur und weitgehend öffentliche Unterstützung. Die Umfrage zeigte ein starkes Interesse an der Idee, die auf der Insel erzeugte Energie für den Eigenbedarf zu nutzen.

Dennoch bleiben große Herausforderungen bestehen:

  • Es gibt keine lokale Energiespeicherinfrastruktur und die Flexibilität des derzeitigen Netzes ist begrenzt.
  • Verträge und Vorschriften zwingen die Produzenten, ihren Strom an das Netz zu verkaufen, was eine direkte lokale Nutzung verhindert.
  • Es gibt noch keinen Rahmen für lokale Produzenten, um Energie selbst an Haushalte und Unternehmen zu vermarkten.

Dennoch sehen viele Befragte Autonomie als realistische und wünschenswerte Zukunft an:

„Lassen Sie sich nicht von der Klimaselbstversorgung Fehmarns abbringen!“

Interessanterweise teilten die Gäste ähnliche Werte:

„Ich würde sogar lieber nach Fehmarn in den Urlaub fahren, wenn der Strom für meinen Urlaub hauptsächlich regional und nachhaltig erzeugt wird“

Schlussfolgerung

Fehmarn produziert mehr Strom, als die Insel benötigt – und die Einwohner*innen sind bereit, diesen auch zu nutzen. Die Vision einer klimaneutralen Insel, die sich vollständig aus eigener Windkraft versorgt, ist nicht nur realisierbar, sondern wird zudem immer dringlicher.

Um diese Vision zu verwirklichen, sind folgende Voraussetzungen notwendig:

  • Gesetzesreformen, die den lokalen Verbrauch von lokal erzeugter Energie ermöglichen,
  • erschwingliche und leicht zugängliche Angebote, die zum Anbieterwechsel motivieren,
  • transparente Planungen, die sowohl die Natur als auch die Tourismuswirtschaft schützen,
  • sowie koordinierte Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Energieanbietern und Bürger*innen.

Die Umfrage auf Fehmarn zeigt deutlich: Die Menschen sind bereit. Die entscheidende Frage ist, ob die Rahmenbedingungen und Systeme mit diesem Willen Schritt halten können. Gelingt dies, wird Fehmarn nicht nur eine Insel sein, die sauberen Strom exportiert, sondern auch zu einem Symbol der lokalen, von der Bevölkerung getragenen Energiewende.

Die Aktion wird durch das Interreg Baltic Sea Region Programm 2021-2027 unterstützt – durch den Subventionsvertrag für das Projekt #C018 Baltic Sea2Land von Interreg Baltic Sea Region.